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Meine Liebe zu Wörtern und Sprichwörtern, Sprache und Sprachwitz haben mich dazu bewegt den Beruf einer Stadtführerin, Rednerin und Moderatorin zu ergreifen. Worte sind für mich ein Lebenselixier und ich staune immer wieder über deren Macht. Mein Berufsleben ist durch die Vielfältigkeit der Aufgaben eine emotionale Achterbahn, da ich in Ausnahmesituation ganz nah an den Menschen bin. 

Lachen und Weinen, Sprüche klopfen und Menschen auffangen, genau das möchte ich mit euch teilen und mir meine Erlebnisse von der Seele schreiben.

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Autorenbildgabyfischer

Wie sag ich’s meinem Kinde?

Heute möchte ich mich mit einem doppelten Tabu-Bruch befassen. Zum einen mit dem Tod: Das ist ein Thema, mit dem sich einfach niemand befassen möchte und wir alle sind Meister im Verdrängen, wenn es darum geht:

“ES” auszublenden!

Wenn aber auch noch Kinder mit involviert sind, sind wir alle komplett überfordert. Das ist jetzt erstmal absolut verständlich und für mich auch nachvollziehbar. Ich sehe aber, was passiert, wenn wir uns nicht mit dem Thema auseinandersetzen.



Ich arbeite nun bereits im 6. Jahr als Trauerrednerin und hatte das Glück, dass ich die ersten Jahre wirklich zum größten Teil Menschen begleiten durfte, die ein langes, gelebtes Leben hatten und der Tod ein Stück weit dazugehört. Lachen & Weinen, Höhen und Tiefen, Leben und Tod, unser Kreislauf, in dem wir leben und ja:

Lachen und Höhen sind viel toller!!! 

Und ja, gerne werden Tränen, Traurigkeit, Frust, Kummer und die Täler des Lebens nicht so gern gesehen, am besten ignoriert. Auch hier kann ich mitreden. Es ist halt viel leichter, sich durchs Leben zu lachen, als sich den Herausforderungen zu stellen. Oder mal hinzuschauen, warum es gerade weh tut und darauf vertrauen,

dass wir an genau diesen Tiefen wachsen!

Besonders schmerzlich ist es natürlich, wenn ein lieber Mensch stirbt. Es gibt nunmal keine Alternative und das ewige Leben kenn ich nur von Liedern. Wenn aber ein junger Mensch stirbt - das sind für uns einfach nicht nachvollziehbare Schicksalschläge und viele von uns wirft es einfach aus der Bahn. Auch mich bringt es jedesmal an meine Grenzen, wenn ich eine Trauerrede halte und sehe, dass der Kreislauf des Lebens hier unterbrochen ist und der Betreffende einfach viel zu jung war zum Sterben. Mein Argument, mich trotzdem dieser Aufgabe zu stellen ist, dass ich denke, wenn ich es nicht mache, macht es jemand anderer. Vielleicht auch gut. Aber ich kenne diesen anderen nicht und weiß aber, wie ich mit der Familie umgehe, die trauert. Mir ist es auch doppelt wichtig, die Kinder aufzufangen, oder mitzunehmen, falls welche involviert sind,  dass sie nicht nach dem Abschied noch eine traumatische Abschiedsfeier haben. Wobei ich auch oft erstmals hilflos nebendran stehe.

Immer wieder erlebe ich diese doppelte Überforderung. Die Zurückgebliebenen sind im Schock, weil sie einen lieben Menschen verloren haben und sollen dann gleichzeitig noch den neugierigen Fragen der Kinder standhalten.


Wie erleben eigentlich Kinder das Trauma? Ist es ein Trauma für sie? Was genau geht in ihnen vor? Wie sollen wir uns verhalten, wenn ein liebes Familienmitglied stirbt? Wie erklär ich’s meinem Kinde?

Was für mich ein zusätzlicher Streßfaktor darstellt ist die kurze Zeit, die wir haben, um mit der schwierigen Situation klarzukommen und uns dann noch um die Kinderfragen- oder Seelen zu kümmern. Oma stirbt und alle sind in der Schockstarre, müssen die Beerdigung organisieren, die Versicherungen kündigen, sich Sterbetexte für die Zeitung ausdenken, ein Grab, eine Urne, Musik für die Trauerfeier, Termine mit dem Pfarrer oder Redner, um innerhalb weniger Tage den Schock ihres Lebens zu “managen” und sich dann noch um die Kinderseelen kümmern. Geht nicht. Meist werden die Kinder “versorgt” an Aufsicht und Nahrung. “Die Oma ist im Himmel” das ist noch eine oft gehörte Antwort.

Es ist schwierig, ohne Frage. Ich maße mir auch keine therapeutischen Ansätze an oder die Lösung schlechthin. Aber ich weiß sicher, dass totschweigen keine Lösung ist, dann könnten die Kinder wirklich traumatisiert werden.  Auch würde ich nie jemanden anklagen, im Moment der größten Not falsch zu handeln. Aber vielleicht mal darüber nachdenken, wie kann ich vorbereitet sein, wenn der Fall eintritt.

Zu sagen “die Oma schläft jetzt” ist für die Kinder sicher sehr schwer nachzuvollziehen. Das “Schlafen” wird dann möglicherweise sehr negativ behaftet und die Vorstellung, beim Schlafen in einem geschlossenen Sarg zu liegen, erinnert mich an einen bösen Horrorfilm.

Früher war alles besser - nein! Aber nicht alles war schlecht.

Früher wurden die verstorbenen Familienmitglieder in der Wohnung aufgebahrt, gewaschen, hergerichtet und jeder konnte sich verabschieden. Für die Kinder sicher auch ein einschneidendes Erlebnis, aber wenn sie in diesem Moment gut aufgefangen werden, sehen sie, dass der Tod dazugehört. Dass - bleiben wir beim Beispiel der Oma - die Oma liebevoll behandelt wird und verabschiedet wird.

Vielleicht können wir ihnen auch erklären, dass die Seele sich vom Körper gelöst hat und nur der Körper gestorben ist. Wie beim Familienhund auch, wie bei einem toten Vogel, den wir beim Spazierengehen gesehen haben. Sicherlich auch hart, aber nah an der Natur. Je ehrlicher, desto besser! Vielleicht können wir ihnen erklären, dass die Oma immer da bleibt, in unserem Herzen. Dass wir mit ihr sprechen können in Gedanken. Dass wir ihre Antworten eh immer wissen. Wie wenn man einen handgeschriebenen Brief adressiert an ein Smartphone. Das kommt nicht an, weil es ein anderen Medium ist. 



Wobei wir natürlich auch hier unterscheiden müssen, ob es die Oma ist, die das Leben gelebt hat oder die Kinder ein Elternteil verlieren. In dem Fall ist professionelle Hilfe anzunehmen fast unumgänglich und wirklich nur ratsam.

Es kommt natürlich auf das Alter der Kinder ab, aber wir sollten ihnen in diesen Momenten auch beistehen. Ihnen erklären, was wir selber nicht verstehen. Ihnen vorschlagen, für sich ein Abschiedsritual zu finden wie beispielsweise ein Brief, der mit ins Grab geht. Es gibt auch gute kindgerechte Literatur oder Kinderbücher dazu.  Es darf alles sein, nur eins nicht: totgeschwiegen werden. Falls wir - verständlicherweise - nicht in der Lage sind oder selber Trauerbegleitung benötigen, gibt es öffentliche Angebote wie Lacrima - Zentrum für trauernde Kinder - Die Johanniter


Mein Rat: beschäftigt euch vorher mit dem Thema Tod, nicht erst wenn er eintritt. Spaziergänge über den Friedhof, die Gräber von Verwandten besuchen, von der verstorbenen Oma erzählen oder die Erfahrungen, die wir mit der Beerdigung als Kinder gemacht haben. Oder auch, dass es immer in Ordnung ist, traurig zu sein oder wie wir Erwachsene uns manchmal seltsam verhalten, nur um diese Traurigkeit zu überspielen. Dass wir auch oft traurig sind.

Als mein Vater 70 Jahre alt geworden wäre, bin ich mit meinen Kindern, die im pubertären Alter waren, auf den Friedhof gefahren und wir haben ein Picknick mitgenommen, Kerzen aufgestellt und mit ihm gefeiert. Ich hab meinen Kindern von der Erlebnissen erzählt, die ich hatte, von den Eigenschaften, die meinen Vater unverwechselbar gemacht hat, von seinen tollen Liedern, die er mir alle vorgesungen hat und die ich meinen Kindern weitergegeben habe, von seiner Herkunft, von seiner Linkshändigkeit und seiner wunderbaren Begabung, mir die Welt zu erklären!


PS. hier einige Kinderbücher, die ich empfehlen kann:

Abschied, Tod und Trauer (Wieso? Weshalb? Warum?, Band 42)

Opas Reise zu den Sternen: Ein Kinderbuch zu Tod und Trauer von Anja Kieffer

Leb wohl, lieber Dachs von Susan Varley

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