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Meine Liebe zu Wörtern und Sprichwörtern, Sprache und Sprachwitz haben mich dazu bewegt den Beruf einer Stadtführerin, Rednerin und Moderatorin zu ergreifen. Worte sind für mich ein Lebenselixier und ich staune immer wieder über deren Macht. Mein Berufsleben ist durch die Vielfältigkeit der Aufgaben eine emotionale Achterbahn, da ich in Ausnahmesituation ganz nah an den Menschen bin. 

Lachen und Weinen, Sprüche klopfen und Menschen auffangen, genau das möchte ich mit euch teilen und mir meine Erlebnisse von der Seele schreiben.

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Autorenbildgabyfischer

Von einer, die auszog...oder wie geht Geburtsvorbereitung auf Arabisch?

Herrlich, diese Zeit zwischen den Jahren, über die Grammatik und den Unsinn des Inhalts sehen wir heut mal drüber weg. Wenn ich nicht mehr weiß, was für einen Wochentag wir haben und ich 3 Tage am Stück in Jogginghosen rumlaufe und das Sofa zusammenliege, dann haben ich den einmaligen Zustand der kompletten Entspannung erreicht. Also alle Jahre wieder.

Zwischen „Drei Nüsse für das Aschenbrödel“ und dem „kleinen Lord“ zappe ich dann und verbiete mir jegliche Kritik am Programm. Das ist halt so, einmal im Jahr. Und dazwischen in den privaten Anbietern die Dokus über die Auswanderer. Allerdings kann ich mich, wenn ich das sehe, gar nicht richtig konzentrieren. Meine Gedanken reisen immer wieder in meine Auswander-Zeit zurück. Was war das für ein spannender Lebensabschnitt und vor allem: war das für eine Bereicherung in meinem Leben!

Ganze 8 Jahre durfte ich andere Länder nicht nur bereisen oder beschnuppern, sondern dort auch leben.

Um das zu verstehen, möchte ich euch kurz in meine Kindheit mitnehmen. Ich wuchs auf in einem 600-Seelen-Dorf, streng katholisch, mit 98 % CSU-Wähler und 2 Vereinen. Dem Musikverein und der Feuerwehr. Falls ein Musikfest war, durfte halt nichts brennen! Die Lehrer und Eltern waren noch solidarisch autoritär, es gab ein einziges Telefon in der Nachbarschaft und erst ab 17.00 Uhr TV und das schwarz-weiss.

Dort war man auch noch ein „Frisch-Zugezogener“ nach 3 Generationen.

Ich erinnere mich noch an den ersten türkischen Gastarbeiter oder auch die erste junge Frau, die unehelich schwanger wurde. Wir Kinder wurden reingerufen oder von den Fenstern weggezogen, wenn sie vorbeilief. Ja gell, kaum zu glauben, aber es ist noch gar nicht so lang her. Aber das war halt so – damals. Dort in dem Dorf wurde auch der Grundstock für meine Bodenständigkeit gelegt und ich musste dort erfahren, was es heißt, anders zu sein…Die Höhepunkte meines damaligen Lebens – also reisetechnisch gesehen – waren der Bodensee und mal ein Ausflug ins Kleine Walsertal. Meinen späteren Mann lernte ich mit 25 Jahren kennen, damals war ich immerhin als junge Frau schon nach Südtirol gereist! Die Familie meines Mannes waren Camper, mein damaliger Freund hatte sogar einen kleinen Campingbus. Das war Neuland für mich! Aber ich bin grundsätzlich schon immer so eingestellt, dass ich alles Neue ausprobiere und es erst dann verurteile. Als wir das erste Wochenende mit diesem Bus losfuhren, änderte sich meine komplette Welt und schon in den ersten Stunden habe ich die ganze große Kraft der Freiheit erkannt, die so ein Gefährt bietet. Du kannst Pause machen, wo es dir gefällt, du kannst einfach wo bleiben, wenn es besonders schön ist oder du fahruntüchtig bist nach einem Weißwurstfrühschoppen ;-) oder nach 2 Gläsern Wein oder einfach nur am Waldrand sitzen am Rande der Alpen und den Sternenhimmel anschauen. Ein Traum! Genau mein Ding!

Foto: bei einem der ersten Urlaube in Sardegna. Versteht ihr mich jetzt? Sofort wieder!!

Mit ihm und weiteren drei Freunden war es auch, als ich den ersten großen Urlaub erlebte: eine fünfwöchige Reise nach Südafrika und Namibia!

Es war im Jahr 1989, als wir starteten. Genau an dem Tag, an dem Nelson Mandela freigelassen wurde, landeten wir in Johannesburg.

Wir machten die Gardenroute, wir haben Capetown und Stellenbosh gesehen, den Post-Office-Tree, den Krügernationalpark, Gods Windows, Cape Hope und haben dann noch die letzten paar Tage auf einer Farm in der Nähe von Windhoek verbringen dürfen. Eins von den prägenden Erlebnissen damals war die Fahrt mit einen Quad durch ein ausgetrocknetes Flussbett bei Sonnenuntergang. Halleluja, das war der Wahnsinn! Ich meine, die ganze Tour könnt ihr sofort in jedem Reiseprospekt nachlesen aber für mich war das die Offenbarung! Ich hab die ganze Kraft, die ganze Schönheit von Afrika erlebt! Es war mir, als sei ich bis dahin in einer pastellfarbenen Welt unterwegs gewesen und wurde jetzt mit der ganzen bunten Farbwucht der Erde beschenkt. Und nicht nur das, auch die Freiheit, die Weite, der Himmel, es war einfach spektakulär! Sogar die Sterne waren viel näher! Jetzt könnt ihr euch sicher auch vorstellen, wie ich dann im Zug von Stuttgart nach Ulm bei grauem verregneten Wetter in einem überfüllten Wagon saß, hüben wie drüben nur Enge und grau. Genau während dieser Zugfahrt muss es passiert sein. Ein Hebel, der sich umlegte, ein Groschen, der fiel, also irgendwie sowas. Ein Wissen.

Ich wusste, ich muss raus! Ich muss mindestens ein Jahr woanders leben! Das war einfach so klar.

Meinem späteren Mann war das nicht so klar, wir haben auch darüber diskutiert, seine Meinung war, uns geht’s doch gut, warum sollen wir weg und neu anfangen? Beide waren wir erfolgreich in unseren Jobs, hatten eine nette Wohnung, unseren Freundeskreis, unsere Hobbies…. All das halt. Aber das prallte an mir ab. Ich war noch gar nie eine Sicherheitsdenkerin. Außer vor meiner Selbstständigkeit….Wenn andere Menschen vorsichtig Stufe um Stufe ins kalte Wasser waten,

mach ich lieber eine Arschbombe.

Hat Vor- und Nachteile, das könnt ihr euch ja vorstellen. Die Sicherheits- und Planungsmenschen können ja immer wieder noch umkehren oder haben noch Absicherungsvariante parat. Das fällt bei mir weg. Ich bin sehr entscheidungsfreudig und mach‘s dann halt. Während einer Arschbombe kannst du ja auch nicht zurück  und es ist passiert. Klar, dass ich im Nachhinein die ganzen Spritzer wegputzen muss und die Schäden, die dadurch entstehen, reparieren. Kurz und gut, mein damaliger Freund bekam dann tatsächlich eine Stelle über die Firma angeboten. Es war in Saudi-Arabien! Wer jetzt denkt, das hat mich abgeschreckt…. Weit gefehlt. Je exotischer, desto lieber. Natürlich habe ich mir damals keine Gedanken gemacht über Menschenrechte, über Emanzipation oder über die Kultur dieses Landes. Die beiden Haken waren auch gleich da: als unverheiratete Frau durfte ich weder mit noch durfte ich als Nicht-Moslemin, die ich war, dort arbeiten. Was dann kam, war der unromantischste Heiratsantrag ever. Am Telefon, von einem Großraumbüro zum anderen, haben wir dann eben beschlossen, ein Jahr früher zu heiraten. Dass wir heiraten wollten, war klar, aber ursprünglich ein Jahr später. Und der nächste geniale Plan von mir war, dass ich eben schwanger wurde und im Mutterschutz meine Zeit in Saudi-Arabien verbringen konnte und so meine berufliche Sicherheit nicht aufgeben muss!


Heute muss ich schon arg staunen über meine damalige Blauäugigkeit! Unsere Hochzeit habe ich dann in 9 Wochen organisiert, den Großteil alleine, weil mein Mann damals in seiner Prüfung als Betriebswirt steckte. Was ich gelernt habe dann: dass ich die perfekte Festplanerin bin! Mir hat das einen riesen Spaß gemacht zu organisieren und es war bis aufs letzte Detail an alles gedacht. Sogar die Frischhaltefolien für die übrigen Kuchenstücke waren bereitgelegen. Es war auch eine tolle Hochzeit, an die ich immer wieder gern zurückdenke. Da wir beide Musiker sind, war auch reichlich Programm geboten und ich durfte einen Tag Sissi sein! Danach zog mein Mann nach Saudi-Arabien und ich wurde nicht schwanger. Wie auch ;-) dazu kam noch die niederschmetternde Diagnose meines Frauenarztes, dass ich auf normalem Weg nicht schwanger werden kann. Gut, wir haben dann beratschlagt. Für mich war klar, dass ich Kinder möchte, aber eben auf normalem Wege. Ich wollte mich nicht mit Hormonen vollpumpen und bei Stunde X mit meinem Mann an unserer Fortpflanzung arbeiten müssen. Aber ich weiß nicht, was ich gesagt hätte, wenn ich 10 Jahre älter gewesen wäre. Ich war zu der Zeit 28 Jahre alt!Für meinen Mann war das Kinderthema auch nicht wirklich ein Thema. Er hatte noch so viel vor. Die Westküste Amerikas bereisen, einen Pilotenschein machen ….. also wie gesagt, wir hatten nicht das Thema, wie wir ohne Kinder leben, sondern wie wir im Moment leben. Er in Saudi-Arabien und ich im Schwabenländle. Dass so eine Trennung auf Dauer nicht gut ist, war uns klar. Wir trafen dann gemeinsam die Entscheidung, dass ich nach 13 Jahren Berufstätigkeit einfach kündige und mitgehe

Auch so eine „Arschbombe“ …. Damals dachte ich, egal was passiert, ich komm immer wieder beruflich unter. Daran musste ich mir Jahr später die Zähne ausbeißen, aber soweit war es ja noch nicht! Ich kündigte im Mai 1992 und was dann folgte, waren solche Dinge wie ein gut geregeltes Leben aufzugeben. Das war mal eine Situation! Ich habe die Wohnung vermietet, das Auto verkauft und hatte in der Zeit glücklicherweise eine tolle Freundin, bei der ich wohnen durfte!

Und hab dort dann meine erste Lektion gelernt zum Thema „andere Länder – andere Sitten“

Ich brauchte natürlich ein Visum und das bekam ich durch den dortigen Niderlassungsleiter in Jeddah. Nationalität Araber. Dieser Mensch musste für mich bürgen, so wie er auch für meinen Mann gemacht hat. Das war aber jetzt nicht so ein Prozess, wie man den sich bei uns vorstellt…. Ganz und gar nicht! Ich wurde Woche um Woche vertröstet wegen irgendwelcher für mich nicht nachvollziehbaren Gründen, warum dieser Bürge-Mensch wieder einmal nicht auf dem Konsulat war. Einmal war Stau, einmal war er krank, ein anderes Mal hat es geregnet!!! Also ich saß tatsächlich von Juli bis Anfang Dezember auf meinen gepackten Koffern, hatte alles aufgegeben, war ohne Arbeit, ohne Wohnung und wartete! Geduld ist bis heute ein Fremdwort für mich. Dazu kommt noch, dass es keine Handys geschweige denn WhatsApp Gruppen gab, mit denen wir uns gegenseitig auf dem Laufenden hielten. Wir telefonierten 2 x die Woche und ich litt schon sehr unter der Trennung.

Was ich aber tatsächlich aktiv betrieb, waren Abschiedsfeiern.

Da ich nie wusste, wann jetzt das Visum kommt und wie lange ich meine Freunde nicht mehr sehen konnte, gab es das jede Woche und zwar richtig! Ich kann mich erinnern, dass wir nach einem abendlichen Besuch in einer Kneipe noch weitergefahren sind nach München (mit einem Taxi, dessen Taxifahrer in der Nacht unser bester Freund wurde) und als wir dann am Morgen heimkamen und ich fragte, wie wir weiterfeiern, wollten mich meine Freunde einfach nur knebeln und ruhigstellen.Und dann war es da. Endlich! Mein Visum! Ich sollte am 5. Dezember fliegen. Klar, dass ich an Tag vorher die finale Abschiedsparty feierte! Und klar war auch, dass ich fast meinen Flug versäumt habe, weil ich erst um 4.00 morgens ins Bett kam und 2 Stunden später nicht wach wurde…… Dann stand ich am Frankfurter Flughafen und spätestens da wurde mir bewusst, dass jetzt alles anders werden sollte. In der Schlange vor mir Araber, die Männer (noch) in westlichen Anzügen, die Frauen alle schwarz verhüllt samt Kopftuch. Ich stand da wie eine Exotin dazwischen mit meinem hellgrauen Reiseanzug und einem Plastikchristbäumchen in der Hand. Und war sooooo aufgeregt. Meine Flugangst hielt sich in Grenzen, weil ich 2 Nachbarn hatte, mit denen ich sofort ins Gespräch kam. Links neben mir saß die Sehmahat, eine Frau, die ebenfalls ihrem Mann nachreiste und zu meiner rechten ein echter arabischer Mann, der mir die fünf Säulen des Islam erklärte und mich einlud, ihn und seine Frau, die Nasran zu besuchen. Also das ließ sich doch schon alles sehr gut an!


Als ich dann endlich nach der Landung meinen Mann sah, genauso exotisch weil westlich gekleidet, war ich überglücklich. Dann die Gerüche, die mir so fremd waren, die Menschen, die so anders angezogen waren und sich auch anders verhielten und dann die Wärme! Auf dem weiteren Weg kam ich aus dem Staunen nicht mehr raus. Es war alles so anders! Die großen Straßen, die Palmen, die Lichter, die Autos, die Supermärkte, das war alles so neu, so fremd und einfach aufregend! Und das Beste: es war so warm und eins von den schönen Sachen in der Zeit, in der ich in Saudi lebte, war, dass ich immer barfuß laufen konnte und immer warme Füße hatte!!!


Also bin ich dann im Dezember eingezogen, ins Sharbatly Village! Das muss man sich wie eine Siedlung vorstellen, die mit Schranken und Wärtern beschützt und bewacht wurden, in denen lauter Nicht-Moslems oder Ausländer wohnten. Ich war jetzt einer von ihnen und fand es voll aufregend und spannend! Im Compound gab es unterschiedliche große Bungalows, 2 große Pools, einige Supermärkte, einen Arzt, eine Bücherei. Also erstmal richtig toll!Ich erinnere mich noch so gut.

An meinem ersten Tag ging ich morgens eine Runde in den Pool zum Schwimmen.

Und lernte dort direkt schon andere „Expats“ (so der Name für die Menschen, die im Ausland leben und arbeiten) kennen. Ich wurde angesprochen und willkommen geheißen von anderen Frauen, die am Pool saßen. Hab mich voll gewundert, zum einen, dass ich alleine im Pool schwimmen war und zum anderen, woher man mir ansah, dass ich neu war. Über die Antwort habe ich mich damals einfach nur gewundert: wenn man schon länger in dem Land lebt, geht man bei den Temperaturen nicht mehr ins Wasser (28 Grad!!!!) Aber ich habe mich nur im ersten Jahr gewundert. 

Und dann habe ich auch meine Nachbarn kennen gelernt, die Heike mit ihrem Mann Martin. Wir sind heute noch befreundet! Sie hatte damals einen Sohn, den Felix, der war gerade mal ein Jahr alt. Heike und Martin haben uns ein bisschen unter ihre Fittiche genommen, sie waren schon „alte Hasen“ d.h. sie lebten schon ein Jahr hier.Für mich kamen dann die schönste Vorweihnachtszeit und das schönste Weihnachtsfest, das ich bis heute erlebt habe! Unser Weihnachtsbaum, eine Yukka-Palme, die ich mit feine Streifen geschnittene Alufolie behängt habe und als Gebäck ein Apfelbrot. Das schmeckte natürlich mit den exotischen Gewürzen, die so ein arabischer Markt hergibt, ganz anders als gewohnt. In seiner Freizeit hat sich mein Mann einigen Surfern angeschlossen, mit denen wir unsere Wochenenden verbrachten (also Donnerstag und Freitags im arabischen Raum). Und so verbrachten wir unser erstes Weihnachten im Stand in kurzen Hosen am Lagerfeuer und einer hatte in seinem Autoradio „I’m dreaming from a white christmas“ …. Also ich träumte ganz sicher nicht davon, fand die ganze Situation aber schon sehr spaßig.


Da es in Saudi-Arabien keine öffentlichen Strände gab, was es bei km 90 (90 km außerhalb der Stadt) wo man sich traf, ein toller Platz am Meer. Es war eine Clique mit Österreichern, Schweizern und tollen Menschen aus anderen europäischen Städten, mit denen wir unsere Freizeit verbracht haben. Dort waren auch keine Einheimischen da. Nur ab und zu einige LKW-Fahrer aus den arabischen Nachbarländern. Wir Frauen hatte immer noch ein T-Shirt oder einen Surferanzug über unseren Badeanzügen an, aber es waren doch mehr Kurven zu sehen wie üblicherweise. Und dann noch im Wasser tummelnd. Das hatte schon Jahrmarktscharakter!


Foto: das war an meinem 30. Geburtstag. Ich dachte, ich muss mal was Neues anfangen am 23.12.93: Wassertemperatur 25 Grad, Außentemperatur 32 Grad….. es gibt Schlimmeres ;)


Mein Mann hat hart gearbeitet und auch lange. Er hatte nur eineinhalb Tage Wochenende und war nie vor 19.00 Uhr daheim. Und ich habe versucht, mich neu zu organisieren. So wurde mein Englisch jeden Tag ein bisschen besser, ich wurde von einer Gruppe Frauen aufgenommen zur wöchentlichen Porzellanmalerei. Dieser Frauenkreis war besonders. Unter ihnen eine österreichische Erzieherin, die bei einem der reichsten Männer der Welt arbeitete und die Kinder groß zog. Die Kinder wuchsen 2 sprachig auf und bekamen auch andere Namen, damit man sie im Ausland nicht entführt! Eines Tages, als sie nicht zu unserer Stunde kam, erzählte sie später, ihr Chef habe 2 Concords gemietet und so ist die Familie ins Disney-Land geflogen für 3 Tage. Die Story’s von ihr waren für mich spannender wie das ganze Gemale. Das waren unbekannte Dimensionen für mich.

Geschichten wie aus 1001 Nacht, aber doch wahr!

Auch hab ich Tennisspielen angefangen und bin geschnorchelt. Das rote Meer zählt zu den schönsten Tauchparadiesen. Es war für mich eine Welt, die wie in einer Glaskugel stattfand. Kennt ihr die Kugeln, die wenn man schüttelt, zum Schneien anfangen? So kam ich mir stellenweise vor.

Ich durfte nicht Autofahren, ich durfte nicht arbeiten.

Im Fernsehen lief fast nur CNN oder arabische Sendungen. Zeitschriften gar es arabische oder sehr streng zensierte. Sogar der „Spiegel“ wurde zensiert, weil da am Ende eine Sektwerbung abgedruckt war (Alkohol und Schweinefleisch waren gleichzusetzen mit Drogen) Also wurde der Sekt zugemalt. Genauso ist es passiert mit CD-Covern, auf denen halb bekleidete Frauen abgebildet waren. Gingen wir zum Essen in lokale Restaurants, gab es Frauen- und Männerräume. Wollte ich einkaufen, so hatte ich die Gelegenheit, täglich in ein anderes Einkaufszentrum zu fahren mit einem Bus, der uns danach wieder vor der Haustür ablieferte. Waren wir im Supermarkt und es war Prayer (also diese Zeiten, in denen gebetet wurde) so konnte man halt nicht zahlen und musste warten, bis das vorbei war.Die Einkäufe verliefen auch ganz anders wie ich es heute mache. Heute gehst du halt nach dem Arbeiten zum Supermarkt und das 3 – 4 x pro Woche. Wir gingen einmal pro Woche, es gab natürlich keine Fertigprodukte, keine Tiefkühlpizzen, keinen Lieferservice.

Wir wurden wirklich bestraft, wenn wir die Einkaufsliste nicht komplett hatten.

Stellt euch vor, nach 4 Tagen geht euch das Trinkwasser oder das Mehl aus! Dort lernte ich auch kochen, d.h. die Basisküche. Auch Päckchensuppen, Instantprodukte waren Fehlanzeige. Lustig waren dann immer die Einkäufe wenn wir in Deutschland waren. Da war der Koffer halbvoll mit den nützlichen Küchenhelfern. Wie z.B. Sulzenpulver ;-) Ein gutes Stichwort Heimaturlaube. Heimat oder Heimweh. Was mir wirklich aufgefallen ist: da haben wir uns irrsinnig gefreut, unsere Lieben wiederzusehen, aber die Themen haben sich nicht geändert! Auch nach Jahren wurde dir halt wieder erzählt, dass der Nachbar ein Arschloch ist oder wie die Gartenarbeit jedes Jahr mehr wird oder auch, der der direkte Kollege immer noch über das gleiche jammert. Heimweh stellte sich eher ein nach Landschaft, Kulinarik oder Tradition. Also heruntergebrochen waren das die Brezeln und die Weißwürste, das Brot, die grünen Hügel und die Wälder und das Brauchtum, das in unserer Heimatregion gepflegt wurde.

Also es war nicht schlimm!!! Es war halt so anders!

Morgens bevor die Sonne aufging, wurde ich schon geweckt von den Klängen der Moschee. Ich selber habe mich nie ohne Abaya oder Kopfbedeckung außerhalb des Compounds bewegt. Aber auch das war nicht schlimm für mich. Weil ich ja Gast bin in dem Land und dann ist das halt so. Der Stoff der Abaya ist total dünn und ich hatte drunter immer Radlerhosen und Flipflops. Ich glaube, ohne diesen schwarzen Umhang hätte ich mich unwohl gefühlt, weil ich dann eben wirklich anders gewesen wäre.So konnte ich dem Land gegenüber Respekt zeigen, indem ich immer verhüllt war und Alkohol nur heimlich trank :)

Eine wahnsinnig exotische Zeit mit vielen Erlebnissen.

Ich kann mich noch an das erste Geburtstagsfest erinnern, zu dem wir eingeladen waren, es war Heike, die am 8. Januar Geburtstag hatte. Wir haben sie immer ein wenig belächelt, weil sie so arg auf die Ernährung geschaut hat und es bei ihr keinen Zucker gab (heute bewundere ich sie dafür) und dann saßen wir da als Gäste und kauten auf den Dips rum. Geschnittenes Gemüse vom Markt und Soßen, die fremdartig wirkten und rochen und auch schmeckten.

Am nächsten Tag war es mir hundeelend.

Mir ging es einfach nur schlecht und ich musste mich übergeben. Dann also lieber Zucker!?! Als das nicht besser wurde, hab ich nach einigen Tage die Compount-Ärztin aufgesucht. Sie meinte, es wäre halt die ganze Umstellung. Und ich sollte doch, im Falle es wird nicht besser, meinen Urin abgeben.Es wurde nicht besser, der Urin wurde untersucht, der Befund war keiner und ich sollte meinen Stuhl abgeben. Auf meine zaghafte Frage, ob es denn sein könne, dass ich evtl. schwanger bin, weil ja auch meine Regel ausblieb, verneinte sie direkt. Und verwies mich auch noch! Ich solle doch mal bedenken, was ich für eine Umstellung hinter mir habe! Ein arabisches Land, weg von meinen Leuten, das fremde Essen… Ok. Ich hab meine Stuhlprobe dann brav abgeliefert und auch das blieb ohne Befund. Und mir wars immer noch schlecht. Sauschlecht! Also das konnte doch nicht mehr von den Dips kommen!

Dazu kam noch, dass mir der Kaffee nicht mehr schmeckte. Ich wollte zum Frühstück lieber Pepsi light!!

Ja klar, jeder der das liest, weiß Bescheid, nur ich nicht. Nach wieder einigen Wochen bin ich dann mutig auf eigene Faust los und habe mir einen Pregnancy-Test gekauft (wieder ein neues Wort!!!)Was soll ich euch sagen….

Wir saßen dann irgendwann später vor einem Arzt, der uns versicherte, ich wäre im 4. Monat schwanger.

Das heißt jetzt nur rein rechnerisch wäre ich also getrennt von meinem Mann in Deutschland schon schwanger geworden!!! Natürlich sind wir beide schier vom Stuhl gefallen, weil wir nicht wussten damals, dass der Beginn der Schwangerschaft errechnet wird aus dem letzten Tag der Periode. Also wäre ich nach den Berechnungen schon schwanger nach Saudi gekommen und es dauerte eine gute Weile, bis wir das alles kapiert haben und dann auch noch, dass ich schwanger bin. Bis wir das begriffen haben, hatten wir schon Schnappatmungen….Wäre ich eine grazile, ganz dünne Person gewesen, wäre das sicher schon früher aufgefallen, aber ich dachte halt: Mei, des gute Essen und so wenig Streß, da nimmt man halt schon am Bäuchle zu!Also. Ich war schwanger und das, obwohl das hätte laut meinem damaligen Arzt hätte gar nicht sein können. Ich war nur happy. Vor allem dass das so passiert ist. Einfach so. Und es nach den ersten vier Monaten ging es mir auch nur noch gut. Was Schöneres wie eine Schwangerschaft gibt es kaum! Ich fühlte mich wie ein Baum, der voller Früchte ist! Für mich war auch klar, dass ich in Jeddah entbinde.

Was soll ich denn nach Deutschland fliegen, da rumhocken, bis das Kind kommt und wieder zurückfliegen? Das schien mir unnatürlich.

Es gab weder Hebammen noch Geburtsvorbereitungsseminare. Ich selber würde mich als sehr gesund und stabil einschätzen und habe auch gedacht, das geht auch ohne. Früher gings ja auch ohne! Dabei war ich mir auch sicher, dass ich in den Kreissaal gehe, entbinde, mein Kind nehme und heimfahre.Auch machten wir während der Zeit tolle Ausflüge, übernachteten in der Wüste, entdeckten schöne Ecken und ich schnorchelte, bis der Bauch an den Riffen dann anstieß. Die Arzttermine waren der Brüller. Ich wurde in meiner vollen Montur auf einen Untersuchungsstuhl gelegt, dann mit einer Decke zugedeckt und der Arzt tastete lediglich meinen Bauch ab.

Ich habe ein einziges Bild von einer Ultraschalluntersuchung.

Aber die Krankenhäuser dort hatten einen sehr guten Standart und ich vertraute einfach. Außerdem so ein Kind auf die Welt bringen … das ging früher nebenher auf dem Feld!


Doch davor zogen wir erst noch um in ein größeres Haus, in eine andere Siedlung, es war der Azzam-Compound, der 25 km vor den Toren von Jeddah lag, mitten in der Wüste. Wir hatten ein Haus, das hättest Du fangen spielen können, einen Garten, so groß wie ein Fußballfeld und alle Freiheiten. So haben wir uns dort eingerichtet und mit Freunden eine schattenspendende Pergula gebaut,


6 auf 6 Meter, einfach so, ohne eine Erlaubnis einzuholen! Ich mochte fremde Sitten! Wir hatten tolle Grillfeste, Palmen, Bananen und Hibiskus im Garten und trafen unglaubliche Leute! Das war überhaupt der Hauptzeitvertreib, sich mit Menschen zu treffen, zu grillen, sich auszutauschen. Viel mehr konnte man ja in der Freizeit nicht anfangen. Aber ich habe es geliebt!



Oft gab es Pool-Partys mit Buffet oder wir sind an den freien Tagen zum Brunchen ins Red Sea Hotel gefahren, um dort andere Expats zu treffen.Jeddah habe ich als eine tolle, moderne Stadt erlebt. Fasziniert hat mich dort vieles, aber besonders die Moscheen und die farbenfrohen Basare mit den Gerüchen.



Und vor allem, dass man für einmal Auto auftanken weniger wie umgerechnet 5 Euro bezahlen musste! Obwohl wir einen Jeep fuhren!


Es gab beeindruckende Moscheen, hochmoderne Geschäftszentren, genauso aber noch Beduinen, die durch die Wüste zogen, eine endlose Wüste, Krater, auch arme Hütten außerhalb der reichen Stadt. Es gab einen Flugplatz, an dem ausschließlich Pilger an- und abreisen durften, den Haj-Terminal , und es gab das rote Meer! Auch ein Erlebnis, dass ich nie vergessen werden, war der Besuch bei einer arabischen Familie. Wir trafen ja in der Regel nur Ausländer, so wie wir. Ihr erinnert euch an meinen Flugzeugnachbarn? Der lud mich und meinen Mann ein, mit ihm einen Abend zu verbringen. Es war im Ramadan und wir trafen dann um 23 Uhr dort ein. Mein Flugbekannter war nicht mehr im Anzug und hat mir auch meine ausgestreckte Hand zur Begrüßung ignoriert. Er trug traditionelle Kleidung und hat mich mit einer Verneigung begrüßt. Wir wurden direkt getrennt, die Männer waren draußen, wir Frauen haben uns im Inneren niedergelassen. Es wurde uns tolle, arabische Speisen gereicht und ich dufte ungeniert Nasran alles fragen. Wie sie lebte, Fragen zur Verhütung, zur Ausbildung, zum Alkohol, über ihre Urlaube, über ihre Rolle als Frau. Es war einfach nur total spannend und ich bin so dankbar, dass ich das alles miterleben durfte.

Ja und irgendwann war’s dann soweit, dass der Geburtstermin da war.

So wurde meine Geburt am 10. September eingeleitet im Al Salamah Hospital, weil nichts voran ging. Dort hing ich an einem Wehentropf, hatte unglaubliche Wehen und keinerlei schmerzstillende Mittel. Der Muttermund öffnete sich nicht. Auch ein Versuch, ihn manuell aufzubekommen, hat nichts wie Schmerzen verursacht. Ich lag 36 Stunden in den Wehen und ertrug alle wehenfördernden Mittel. Jede paar Stunden hörte ich neu entbundene Babies schreien. Irgendwann flehte ich eine Schwester an, mir gegen die Schmerzen zu geben und sie meinte:

„Pray, Allah will help you!“

Das, was ich in dem Moment gedacht habe, lasse ich hier ungeschrieben……..Ich wurde erlöst durch eine Vollnarkose und bekam einen Kaiserschnitt. Dr. Kayassa legte mir Stunden später meine Tochter in den Arm. Und das war einer der schönsten Momente in meinem Leben. Ich dachte, ich zerfließe vor Glück. Ich meine, da plagst du dich wie ein Hund, willst sterben vor Schmerzen, kannst nicht mehr und dann kommt da so ein zartes kleines süsses Mädchen, die gerade mal 47 cm groß ist und nicht mal 3 kg wiegt…?? Das gibt’s doch nicht! Und so ein schönes gesundes Kind, ich war überglücklich. Das wunderbarste Geschöpf, das ich je gesehen habe.


In den arabischen Ländern ist es üblich, dass die Mädchen schon gleich nach der Geburt Ohrringe gestochen werden, aber das lehnte ich ab. Das sollte sie selber entscheiden. Und klar war dann auch, dass sie in dieser Zeit in Jeddah als Junge durchging aufgrund ihrer fehlenden Ohrringe.Aber was hatte meine Tochter für ein schönes erstes Jahr! Das dickste Kleidungsstück, was sie anbekommen hat, war eine Strickjacke.

Sie durfte jeden Tag im Pool planschen, die durfte am Strand sandeln, im Meer baden.

Ja und heute ist sie erwachsen und ich hab kalte Füße und bin wieder im jetzt und hier und bei den Drei Nüssen ….. ähm doch nicht, das ist die Serie mit den Auswanderern. Die Werbepause ist vorbei und ich bin gespannt, in welches Land uns die Doku jetzt entführt. Ich hab natürlich auch noch ein paar Länder im Gepäck. Doch die packe ich heute nicht mehr aus.

Ich bin immer noch in Jeddah und denke, das waren 1001 fantastische Erlebnisse! Das muss ich erst noch verdauen!

Danke, dass ihr mich heute begleitet habt. Was hast du so "zwischen den Jahren" erlebt bzw. von deinem Sofa aus erlebt? :)

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