Ein besonderer Jahresrückblick über meinen Weg in die Selbsständigkeit.
Ich weiß nicht, wie es euch geht, wenn ihr das Wort „Jahresrückblick“ hört. Für mich ist daran sofort ein schlechtes Gefühl gekoppelt.
Da kommt der Tag, du machst den Briefkasten auf und es liegt zwischen Rechnungen und Werbung DAS Kuvert, das silbrig schimmert, auf dem dein Name in handgeschriebener Schönschrift steht und ein paar Sterne-Aufkleber drauf sind. Du öffnest ihn und dann kommen vier Seiten hinten und vorne voll eng bedruckt mit Arial Schriftgröße 4 - gespickt mit Familienfotos und eine Erfolgsmeldung die Andere jagend. Von Silberhochzeiten, Familiengeburtstagen, Safaris in exotischen Ländern, Bachelorabschlüssen und erfolgreichen Auftritten der Enkel. Und als ob das nicht schon genug ist, folgt dann noch das gemeinsame Singen mit der ganzen Familie bei der Großmutter im Seniorenheim, wo alle Bewohner und Personal mit glänzenden Augen das Fest der Liebe erleben.
In dem Moment komme ich mir vor wie ein Pudel, über den man einen Eimer lauwarmes Wasser gegossen hat, das gerade kalt wird. Kennt ihr das??
Wie soll ich denn so ein Schreiben beantworten? Mit einer WhatsApp oder einer Mail? Oder ich schreibe so eine nichtssagende Weihnachtskarte…. Ergo: mit dem Blick in den Briefkasten stellt sich unweigerlich ein schlechtes Gewissen ein!
Ich selber würde so einen Rückblick nicht hinbekommen. Natürlich könnte ich von meinen erfolgreichen, tollen Töchtern erzählen. Aber das war‘s dann. Weder eine Silberhochzeit noch ein Betriebsjubliäum könnte ich aufzählen.
Warum schreiben eigentlich die Menschen, die einen Schicksalsschlag erlitten haben oder die arbeitslos geworden sind, keine Rückblicke??
Egal. Ich schreibe heuer auch einen Jahresrückblick bzw. eher ein Action-Drehbuch, da das Jahr einfach so besonders war.
Um das Jahr 2017 beschreiben zu können, muss ich ein wenig ausholen und gehe kurz zurück in die Vergangenheit:
10 Jahre immer eine 50-60% Festanstellung als kaufmännische Angestellte und nebenher noch Freiberuflerin
..ich fing 2001 als „ganz normale“ Gästeführerin an, das Ganze entwickelte sich aber zu einem recht rasanten Umfang. 2009 lernte ich meinen Kollegen und heutigen fast besten Freund, den Jörg Zenker kennen, mit dem ich ein gemeinsames Erlebnistourunternehmen das Schaulustige Ulm habe. Wir haben jede Menge Spaß dabei, neue Führungen auszuarbeiten! Heuer z.b. hatten wir bei der Vorbereitung zu „alles in Butter Herr Luther“ so manche Lachkrämpfe erlitten ;-)
Aus meinen normalen Stadtführungen sind Erlebnistouren und Auftritte geworden, mittlerweile habe ich neun historische Gewänder in meinem Schrank hängen und seit 2015 arbeite ich noch als freie Trauerrednerin.
Dazu gekommen bin ich, weil ich auf ein paar grottigen Beerdigungen war und dachte mir, das kann und muss man besser machen. Da immer mehr Menschen aus der Kirche austreten, sah ich da Bedarf und stellte mir selber die Aufgabe, es zu probieren.
Ich wollte 3 Beerdigungen machen und dann sehen, was passiert. Ob ich das kann.
Mein Bekanntenkreis hat darauf mit Unglauben und Lachen reagiert: „…wir kennen dich bloß lachend…“ Und doch - ich konnte es und arbeite immer noch als freie Trauerrednerin. Es gibt mir so viel.
Im Herbst 2016 war es dann so weit, meine Energie war aufgebraucht, ich war total ausgelaugt und permanent übermüdet, weil ich von einem Job zum Anderen gerannt bin und mich nie auf eine Sache konzentrieren konnte. Meine Pausen zwischen den Jobs waren gefüllt mit so „banalen“ Dingen wie Wäsche waschen, Einkäufe erledigen oder mich auf eine neue Aufgabe vorzubereiten. Achja und dazu bin ich noch Vorsitzende in Musikverein Fahlheim. Ein ganz besonderer Haufen und ich bin froh, dass ich mit diesen tollen Musikern zusammen arbeiten darf. Es ist aber fast schon ein Halbtagsjob, ich mach es aber meistens gern und auch hier habe ich viel gelernt. Hab mal gehört, Ehrenämtler wären zufriedener. Ich meine, das ist nur propagiert, um dir das Amt schmackhaft zu machen.
Was aber sicher ist, man kriegt dann mal einen Kranz mehr ;-)
Sobald ich mich irgendwo hinsetzte, schlief ich ein, meine Friseurbesuche waren durch diese Tatsache voll denkwürdig ;) Also ich war einfach platt und wusste, so kann‘s nicht mehr weitergehen.
Schon die Jahre zuvor liebäugelte ich mit der kompletten Selbstständigkeit, habe mich aber nie getraut. Da waren meine Töchter, da war die Wohnung, die ich zusammen mit meiner Bank gekauft hatte, da waren die Versicherungen, die Rente, die Steuer, da war einfach viel zu stemmen. Der Leidensdruck war jedoch in dem Moment so groß, dass ich wochenlang grübelte, rechnete, Pläne B, C und D verfolgte, mich mit engen Freunden unterhielt, Tabellen aufstellte, Vor- und Nachteillisten aufstellte. Was, wenn’s nicht klappt. Mei….. ich weiß noch, was ich für Bauchweh hatte. Was sollte ich dann mit meinen gut Ü 50 machen? Alternativ mochte und konnte ich aber nicht mehr so weitermachen.
Und dann tat ich den Schritt einfach, kündigte und trat damit aus der Komfortzone aus und das fühlte sich an wie der Oberhammer
!!!!! FREIHEIT!!!
Wahnsinn. Aber ob‘s vernünftig war?
Doch da war dann noch die Sicherheitsoberbeautragte in meinem Kopf, die mir anordnete, jeden noch so kleinen Auftrag anzunehmen, damit es finanziell nicht knapp wird.
Haha, da fällt mir ein Stammtisch vom letzten Jahr ein, als eine gute Bekannte mich fragte „ja wie, du machsch jetzt nix mehr??“….
Da ich das letzte Quartal 2016 wie eine Verrückte arbeitete, lag ich dann am 24.12. krank unter den Tannenbaum.
Stopp. Tannenbaum hatten wir ja nicht, das war ja eine von diesen „banalen“ Sachen, die ich nicht mehr hinbekommen habe.
Und jetzt sind wir schon im Januar 2017.
Was mir in dem ersten Jahr der Selbstständigkeit passiert ist, ist schon fast so, dass ich mich kneifen muss. Meine Arbeit als freie Trauerrednerin hat die gesamte schwäbische Medienwelt interessiert, umso mehr, weil ich ja eher bekannt dafür war, dass ich als sprücheklopfende Wirtin oder Nachtwächterin mit meinen Gruppen durch Ulm zog und den Gästen oft schlagfertig Paroli bot. Mir selber macht das Sau-Spaß und so habe ich viel Freude und Gaudi an den Führungen. Weil ich die Leute mitnehme, weil ich so gern lache, weil ich einfach viel Unsinn im Kopf habe. Und auf einmal arbeitete ich auch als Trauerrednerin. Was war da los, das kann doch nicht sein, war hier die Frage der Medien.
Natürlich kann das sein! Lachen und Weinen, Leben und Sterben, die vier Jahreszeiten, es ist alles ein Kreislauf und gehört zusammen.
Für mich war das immer das gleiche Handwerk. Mit Menschen zusammen zu arbeiten, fühlen, was sie hören möchten, das Ganze verbal zu verstoffwechseln, das ist bei den Führungen und bei den Trauerreden doch das Gleiche. Oft fühle ich mich wie ein Trichter, der alles aufnimmt mit allen Sinnen und am Ende sollte das schön gesprochen auf den Punkt kommen.
Meine Befürchtung, die trauernden Familien finden das unmöglich, dass sie sich bei mir totgelacht haben bei einer Führung (totgelacht – wie sinnig ;-) und mir das nicht zutrauen, auch Trauerreden zu halten bzw. das nicht wollten, hat sich in Luft aufgelöst. Im Gegenteil.
Oft höre ich: „mir wissad, dass Sie schwätza kennad und gut mit den Leuten umgehen“.
Außerdem werde ich heute immer mehr durch Mundpropaganda weiterempfohlen. Was kann dir schöneres passieren?
Also bekam ich zuerst einen Artikel in der Suedwest-Presse, dann in der Neu-Ulmer Zeitung, dann kam Regio TV, dann SWR, dann ARD, die Talkshow Tee oder Kaffee. Der Wahnsinn. Und alle fanden das, was ich als normal empfinde, so spannend, dass ich es in Sendungen schaffte. Die ersten Beiträge noch mit glänzenden Backen und ungeschminkt. Aber frau ist ja lernfähig ;-)
Im Frühjahr kam das nächste neue Projekt dazu, ich wurde angefragt, auch bei der Fa. Gold Ochsen in Ulm Führungen zu machen, Bauereiführungen. Das fand ich mal richtig toll, vor allem, weil es ja voll in mein Thema passt, zu den Wirtschaftsführungen, die ich anbiete.
Dann kamen immer wieder über meine Homepage Anfragen, ob ich Hochzeiten auch übernehmen möchte. Meine Antwort dazu war immer sehr rüde: nein, ich bin geschieden und desilliusioniert, mach ich nicht.
Ich kann nicht von ewiger Glückseligkeit und „bis dass der Tod euch scheide…“ sprechen. Eine Antwort hat mich dann komplett überrascht und umgehauen …“genau darum wollen wir Sie“
Also gut, ich bin dann laufen und in mich gegangen. Generell bin ich nicht neidisch auf glückliche Paare und freue mich, wenn Menschen, die sich lieben heiraten. Und ich bin neugierig. Warum nicht einfach drei Hochzeiten testen und schauen, was passiert? So habe ich schließlich mit meinen Trauerreden auch angefangen. Was soll ich euch sagen. Ich hatte 2017 drei wunderbare Brautpaare, es war soooo schön, die Rede zu halten
Obwohl ich quasi fast keine Werbung damit mache oder mords Flyer auslege, habe ich für 2018 schon 12 zugesagte Hochzeiten. Ist das der Oberhammer! Alle Paare habe ich schon persönlich getroffen heuer für ein kostenloses unverbindliches Kennenlernen, damit wir danach entscheiden, ob wir zusammen weitermachen.
Ich kann euch sagen, zu mir kommen einfach nur tolle Menschen!
Als ob das nicht genug wäre an Erfolgsgeschichte, wurde ich im November eingeladen von der IHK, um dort einen Vortrag über meinen berufliche Werdegang zuhalten. Das haut dir doch den Vogel naus ;-) Thema dieses Abends war „kleine Unternehmen, großer Erfolg“ und ich wurde angekündigt als:
„Eine Frau als Marke – Empathie als Eigenkapital" Also da schwoll mir schon der Kamm, sag ich euch. Und ich war auch noch auf der Titelseite. Meine Vorredner präsentierten sich alle korrekt mit Powerpoint und durchgestylt, so wollte ich eigentlich auch auftreten. Habe mir daheim einen Hosenanzug angezogen und mich nach und nach wieder umgezogen, da ich mal wieder auf mein Bauchgefühl gehört habe. Ich wollte mich nicht „verkleidet“ fühlen, sondern ich selber bleiben. Was nicht auf dem Plan stand, dass ich mein Manuskript daheim vergesse. Was soll ich euch sagen, es wurde ein sehr lebendiger Beitrag!
Durch die IHK bin ich dann auch an eine Beratung gekommen. Mir wurde angeboten, meine Homepages von einem Spezialisten anschauen zu lassen und evtl. Korrekturen vornehmen zu lassen. Mit dabei war meine Freundin Michaela Zenker, die auch meine ganzen Fotos, Flyer, Homepages macht und mich beim bloggen unterstützt. Sie ist übrigens die Einzige, die mich vorteilhaft fotografiert ;-) oder super gut Fotos nachbearbeiten kann. Wohl eher ;-)
Der Fachmann hat uns relativ grünes Licht gegeben und als Anmerkung gemeint, gut wäre halt, ich hätte einen Blog.
EINEN BLOG!!!!! Das war ein Zauberwort für mich! Wie Weihnachten & Geburtstag in Einem! Wie toll hört das Jahr für mich auf!!
Seit ich in der Schule bin, schreibe ich für mein Leben gern. Meine Aufsätze habe es in ein Lehrbuch geschafft. Ich überlege mir seit Jahren, ein Buch zu schreiben. Weil mein Leben aber so bunt ist, weiß ich nicht, auf welches Thema ich mich stürzen soll und ein BLOG ist da noch besser wie ein Buch! Das ist ja wie ein 6er im Lotto für mich!
Ich habe mich gefreut wie Sau!!! Und wollte das auch mit meinen Freundinnen teilen. Eine liebe Freundin rief mich zufällig an und ich habe ihr das dann direkt erzählt.
„Stell Dir vor, ich habe einen Blog“ sprudelte es aus mir raus. Die Antwort war: „ist das was Schlimmes?“ …. Und schon wieder war ich auf dem Boden der Realität.
Und darum ist das auch ein besonderer Jahresrückblick für mich, aber auch ein einmaliger. Die anderen überlasse ich in Zukunft wieder den Sängern im Seniorenheim ;-) falls ich jetzt noch bedacht werde.
Unterm Strich gesehen, bereue ich es keine Sekunde, dass ich den Schritt gewagt habe. Eigentlich ist es gar nicht typisch für mich, dass ich überhaupt so lange überlegt habe. Ich bin jetzt viel weniger gestresst. Wenn ich Stress habe oder zu viele Termine, dann ist das selbstgemacht. Dann muss ich meine freien Zeiten besser einteilen und habe keinen Frust mehr! Und bin so frei, dass ich wieder viel mehr kreativ sein kann.
Wenn ich auf meine Haare angesprochen werde, sage ich immer, das sind meine Kreativ-Kringel, die haben im Kopf keinen Platz mehr!
Für 2018 wünsche ich mir, dass ich das Thema work-live-love-balance besser hinbekomme und dass mehr Singen und Tanzen in meinem Leben ist. Vor allem bin ich unendlich dankbar und zufrieden und wünsche mir, dass das so bleibt. Dass ich jetzt mein Hobby zum Beruf habe und den ganzen Tag nur Dinge tun darf, die mir Spaß und Freude bereiten. Gut, die Arbeit als Trauerrednerin ist kein Spaß, aber sie gibt mir so viel. Sie erdet mich.
Unterm Strich gesehen, bereue ich es keine Sekunde, dass ich den Schritt gewagt habe. Eigentlich ist es gar nicht typisch für mich, dass ich überhaupt so lange überlegt habe. Ich bin jetzt viel weniger gestresst. Wenn ich Stress habe oder zu viele Termine, dann ist das selbstgemacht. Dann muss ich meine freien Zeiten besser einteilen und habe keinen Frust mehr! Und bin so frei, dass ich wieder viel mehr kreativ sein kann. Sogar einen Baum haben wir heuer!!!
Weiter wünsche ich mir noch, dass sich ein weiterer Traum realisieren lässt, das sind ganz besondere Reisen in mein geliebtes Prag. Aber zu denen komme ich zu einem späteren Zeitpunkt! Oder dass sich ein Hörbuchmacher bei mir meldet. Der meine Stimme und Stimmfarbe so besonders findet, dass er mich unbedingt für seine Hörbücher mag oder dass ich Geschichten für Kinder, z.b. die Sandmännchengeschichte vorlesen darf.
Und euch wünsche ich, dass ihr Zeit genug habt, um innezuhalten. Das Jahr anzuschauen. Ballast wegwerfen könnt, dass Unwichtiges euch nicht im Weg rumgeht, dass es euch gut geht. So wünsche ich euch für 2018 viele schöne Momente mit euren echten Freunden, mit Lachen, viel Zufriedenheit, Gesundheit und weiterhin eure Anwesenheit in meinem Blog ;)
Passt gut auf euch auf!
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